Collage Buchcover: Karlheinz Liebl, Schriften zur Empirischen Polizeiforschung, 21, Band,

XX. Tagung des Arbeitskreises Empirische Polizeiforschung: Polizei und Minderheiten

Empirische Polizeiforschung XX: Polizei und Minderheiten. Mit einem Vortrag und Schriftenbeitrag von VICTIM.VETO.

Bei der XX. Tagung des Arbeitskreises Empirische Polizeiforschung im Juli 2016 an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) in Rothenburg/Oberlausitz in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze, diskutierten über 60 Interessierte anhand verschiedener Vorträge das Thema „Polizei und Minderheiten“. Auch wir haben hierzu einen aktiven Beitrag geleistet, siehe unten. Die Teilnehmer*innen haben die folgenden Themen gehört und diskutiert:


Zum Inhalt unseres V.V-Beitrags: „Störfaktor Kommunikation: Aspekte des milieuspezifischen (Un-)Verständnisses als Potenziale und Grenzen der Polizei.“, der inzwischen im 21. Band der Schriften zur Empirischen Polizeiforschung des Frankfurter Verlags für Polizeiwissenschaft von Karlheinz Liebl herausgegeben wurde:

Wie viel und wie wenig „Begegnungsepisoden“ zwischen Polizei und Bürger – letzterer in polizeilichen Zusammenhängen oft als „polizeiliches Gegenüber“ bezeichnet, was nota bene bereits semantisch eine konfrontative Komponente beinhaltet – mit gesprochener Sprache zu tun hat, wird spätestens dann einsichtig, wenn wir uns eine nicht nur in der Philosophischen Fakultät bekannte Aussage zu Gemüte führen, dass wir alle und immer, unabhängig davon ob wir es beabsichtigen oder unterlassen „nicht nicht kommunizieren können“ (Watzlawick / Beavin / Jackson, 2007). Übersetzen wir diese Aussage auf das menschliche Handeln, und hier gleichzeitig auch auf diese „Begegnungsepisoden“, so kommen wir nicht umhin festzustellen, dass die vom als „Sender“ zu bezeichnenden Polizeibediensteten beabsichtigte Wirkung auf den „Empfänger“, also den Bürger, hier und da nicht ohne Konfusion auskommen wird; und vice versa. Kurzum, eine etwaige Mitteilung kann für Sender und Empfänger sehr unterschiedlichen Sinn und Bedeutung haben; denken wir alleine auf die Problematik der Übersetzung bzw. des Dolmetschens. Die Grade der Konfusion können von ein wenig Verwirrung über Angst und Ablehnung bis hin zum tödlichen Ausgang (wie z.B. die zum Teil tödlich verlaufenden Begegnungen der Polizei mit psychisch kranken oder auffälligen Personen) reichen und die subjektive Entscheidung für oder gegen eine (auszuführende) Handlung begründen. Und warum wächst der Grad der Konfusion, je weiter das Milieu des handelnden Polizisten von dem Milieu des handelnden Bürgers – explizit eines Angehörigen von Minderheiten – entfernt ist?

Wir näherten uns dem u.a. auf der Grundlage des – uns freundlicherweise vom SINUS Institut in Heidelberg für den Vortrag und die Schrift zur Verfügung gestellten – sozialen Models der Lebensweltforschung, bei dem Bereiche untersucht werden, mit denen Menschen alltäglich zu tun haben, und zwar aus deren subjektiver Sicht. Diese Informationen verdichtet Sinus zu Bausteinen der SINUS-Milieus®.

Das Wissen über die spezifische Segmentierung (Milieusegmentierung) ist bedeutsam, wenn diese Begegnungsepisoden mit möglichst wenig Konfusion gelingen sollen. Es kann zudem nicht nur auf die Wahl der jeweiligen Kommunikationsinstrumente einen großen Einfluss haben, sondern auch auf die Gestaltung der Bildungsangebote für die Polizei, sei es in der polizeilichen Ausbildung oder aber auch bei der Weiterbildung der behördlichen Führungsebenen, um zumindest das „Wissen“ der Polizei über Minderheiten (auch die eigene) zu erweitern. Wir empfehlen hier also „Hausaufgaben“ und diese können vermutlich nicht ohne langfristigen Einsatz von milieufernen wie auch internen Moderatoren in der Rolle der „Change agents“ bewältigt werden.

Zitiervorschlag für Literaturangaben

HIRSCH, L. M. (2017): Störfaktor Kommunikation: Aspekte des milieuspezifischen (Un)Verständnisses als Potenziale und Grenzen der Polizei. In: Liebl, K. (Hrsg.): Empirische Polizeiforschung XX: Polizei und Minderheiten. Schriften zur empirischen Polizeiforschung. Bd. 21. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt. S. 151-173.
ISSN 1614-5275 / ISBN 978-3-86676-487-3